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Warum Sie nicht nur auf Recruiting Trends achten sollten - ein Interview

Christine

Wir haben uns mit Henner Knabenreich über Personalmarketing und Recruiting unterhalten. Lesen Sie im Folgenden unser Interview und erfahren Sie unter anderem, warum Unternehmen den Fokus nicht nur auf Trends legen sollten, um im Recruiting erfolgreich zu sein.

Henner Knabenreich; personalmarketing2null; Interview; Recruiting TrendsTalention: Was hat sich in den letzten Jahren im Recruiting geändert?

Henner Knabenreich: "Das ist eine Frage, die ich mir jeden Tag aufs Neue stelle. Auf der einen Seite würde ich sagen: Nicht wirklich viel. Ich beschäftige mich seit 15 Jahren damit, wie sich Unternehmen ihren potentiellen Mitarbeitern präsentieren. Und wenn ich mir anschaue, was sich im Verhältnis seitdem getan hat, ist da doch noch viel Luft nach oben. Auf der anderen Seite hat sich schon etwas geändert: Die Bedeutung von Recruiting, oder sagen wir eher das Bewusstsein dafür, dass etwas passieren muss, hat zugenommen. Aber so, wie ich das beobachte und wie ich das mitbekomme, passiert immer noch viel zu wenig vor dem Hintergrund, welche Bedeutung das Thema hat. Vor allem die strategische Bedeutung des Recruitings ist noch nicht ansatzweise angekommen. Das sieht man wunderbar in Unternehmen, wo es teilweise nicht mal jemanden gibt, der sich um das Thema Recruiting kümmert, sondern irgendjemand da ist, der das so nebenbei macht. Und dieses nebenbei machen, das funktioniert nicht mehr im Arbeitsmarkt, wie wir ihn haben."

Talention: Was ist das Wichtigste, um heute im Recruiting erfolgreich zu sein?

Henner Knabenreich: "Recruiting muss Chefsache sein. Das ist meines Erachtens am wichtigsten. Denn wenn ganz oben nicht verstanden wird, warum das eigentlich gemacht wird und wofür das gemacht wird und warum mehr Budget gebraucht wird als bisher zur Verfügung steht, wird sich nicht großartig was ändern. Was ich so mitbekomme, ist, es gibt schon Menschen in Personalabteilungen, die nicht mehr nur das Verwalter-Gen in sich haben, sondern auch ein Gestalter-Gen. Und die versuchen was in die Wege zu leiten - scheitern aber, weil die Wichtigkeit nicht verstanden wird.

Als Beispiel: Ich war vor ein paar Wochen in einer Pflegeeinrichtung, wo es ja durchaus einen gewissen Personalbedarf gibt, wie wir alle wissen. Und ich fand es schon bemerkenswert, dass dieser Workshop vom Vorstand einberufen wurde. Es war auch ein wichtiges Zeichen für die, die teilgenommen haben. Und als es dann kurz vor dem Workshop hieß 'Ja, der Vorstand kann leider nicht teilnehmen, er hat einen wichtigeren Termin', war das ein absolut negatives Signal. Derjenige, der wichtig gewesen wäre, um überhaupt zu begreifen was am Markt los ist und was getan werden muss, nahm nicht teil. Eigentlich hätte ich gehen müssen und sagen sollen 'Sorry, das bringt nichts'. So kam das auch bei den Teilnehmern an: 'Wir können so viel diskutieren wie wir wollen, so lange das oben nicht ankommt, wird sich nichts ändern'. Das ist das Wichtigste, was sich ändern muss: Das Bewusstsein dafür, dass sich etwas ändern muss und dass Recruiting zur Chefsache gemacht wird.

Es ist auch immer gut, wenn man entsprechende Kennzahlen kennt, z. B. Cost-of-Vacancy beziehungsweise Time-to-Hire, dass habt ihr ja auch auf eurem Blog beschrieben. Damit kann man sehr vieles klar machen. Wenn ich nicht mit entsprechenden Kennzahlen belegen kann, was es kostet, wenn die Stelle nicht besetzt wird, ist es ein Kampf auf verlorenem Posten. Da ist es wichtig, sich mit solchen Themen auseinander zu setzen und nicht zu sagen, wie bei einer Veranstaltung, wo ich vergangene Woche war: 'Ja das ist bei uns so historisch gewachsen', also die Personalabteilung, 'Wir können das ja nicht von heute auf morgen ändern'. Das Mindset der Leute muss auch stimmen."

Talention: Was muss der Recruiter von morgen können?

Henner Knabenreich: "Der Recruiter braucht ein Gestalter-Mindset. Ein Recruiter muss seinen Job lieben, er muss seinen Job mit Leidenschaft machen. Er darf nicht die Einstellung haben: 'Das ist mein 9-5 Job, damit verdiene ich mein Geld - fertig', sondern er muss dafür brennen. Wenn er das nicht mit Hingabe tut, dann ist ihm vieles egal. Das ist auch das, was ich erlebt habe. Ich will für meine Kunden das Beste. Ich sehe, dass sie ein Problem haben und will helfen. Oftmals ist es aber so, dass sie sich nicht wirklich helfen lassen wollen. Oder viele Sachen sind Ihnen oft einfach egal. Man kümmert sich zu wenig um das Thema, weil man keine Ressourcen hat. Man muss noch dieses und jenes erledigen. Da werden die Prioritäten aus meiner Sicht oft falsch gesetzt. Wahrscheinlich deswegen falsch gesetzt, weil man sich in dem Thema nicht sicher ist.

Deswegen ist es sehr wichtig, sich mit diesen Themen oder Recruiting Trends und neuen Technologien auseinander zu setzen. Das sind ja nicht mal mehr neue Technologien. Wie man eine Stellenausschreibung schreiben sollte, ist ja kein Geheimnis, trotzdem machen es die wenigsten richtig. Wie eine Karriereseite aufgebaut sein sollte und worauf es dabei ankommt, auch das sollte man schon irgendwie verstanden haben. Man sollte sich auch nicht darauf verlassen, sich von irgendwelchen Jobbörsen-Anbietern Zahlen geben lassen, in der Hoffnung dass die stimmen werden, sondern die Kampagnen selbst auswerten.

Was zu diesem Gestalter-Mindset auch gehört, ist den Austausch mit anderen zu suchen. Sei es zum Beispiel intern im Unternehmen, Stichwort: 'Analytics': Wenn ich darüber kein Verständnis habe, gibt es vielleicht eine Marketingabteilung, die fleißig Daten auswertet, wo ich mir Feedback holen kann. Vielleicht gibt es Mitarbeiter, die selber aktiv im Social Web sind und Know How haben. Also intern vernetzen, Wissen teilen und austauschen, aber das gleiche auch extern machen! Die Einstellung, dass ein Personaler oder Recruiter nicht vor die Tür geht, um zum Beispiel Kongresse oder besser noch Veranstaltungen wie HR Barcamps und so weiter zu besuchen, halte ich für kritisch. Da gibt es dann keine neuen Impulse für die Arbeit. Und wenn sie nicht vor die Haustüre gehen, dass sie dann wenigstens entsprechende Blogs, oder meinetwegen auch die Personalwirtschaft oder das Personalmagazin lesen, um entsprechende Impulse zu bekommen. Auch da sehe ich wirklich in ganz vielen Unternehmen, da sind wir noch weit vom Idealzustand entfernt."

Talention: Was sind die nächsten kommenden Trends?

Henner Knabenreich: "Also ich tue mich ehrlich gesagt immer schwer mit dem Trends-Thema. Oft stürzt man sich auf diese Trends, macht aber nicht die Hausaufgaben. Nehmen wir das Beispiel Social Media. Ich bekomme so viele Anfragen für Vorträge oder andere Anfragen: 'Herr Knabenreich, wir wollen mal Social Media machen und so. Was sind denn die neuen innovativen Recruiting-Wege?'. Dann denke ich mir: 'Macht doch erstmal eure Hausaufgaben'. Wenn die Hausaufgaben nicht stimmen, also gescheite Stellenanzeigen, eine gescheite Karriereseite, ein gescheiter Bewerbungsprozess, dann nutzen die ganzen Blingbling-Maßnahmen im Social Web nichts. Es nützt dann nichts, auf Snapchat vertreten zu sein - oder der neuste Trend: Tik Tok. Letztendlich, das wissen wir alle, braucht man Stellenanzeigen, um sich über den Job zu informieren, die Karriereseite, um sich über den Arbeitgeber zu informieren und einen gescheiten Bewerbungsprozess. Wenn das nicht stimmt, helfen auch die ganzen anderen Maßnahmen nicht weiter. Deswegen bin ich da immer etwas skeptisch.

Nichtsdestotrotz sollte man Augen und Ohren offen halten. Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Matching, Algorithmen, Big Data - das ist ja alles nicht so ohne weiteres zu durchschauen. Es gibt zunehmend Anbieter, die auf dem Markt kommen, wo man sich fragen muss, ob das, was die da machen, seriös ist. Recruiter, Stichwort Fachkräftemangel und Stichwort Ressourcenmangel, möchten sich möglichst wenige Gedanken darüber machen, dass man etwas tun muss. Man will gerne ein Patentrezept haben. Das erlebe ich immer wieder. Am Besten gibt es ein Best-Practice, den man Copy & Paste auf das Unternehmen übertragen kann - was dann nicht funktioniert. Oder es gibt eine Lösung, bei der ein Anbieter verspricht: 'Hier! Mit dieser Stimmerkennungssoftware hast du eine super tolle Personalauswahl'. Das halte ich oft für kritisch. Da ist es wirklich wichtig, sich mit den Themen von der Pike auf auseinander zu setzen und dann zu sehen, ob da ein Scharlatan sitzt oder auch nicht."

Talention: Gibt es noch ein Thema, das Ihnen am Herzen liegt?

Henner Knabenreich: "Ein Punkt, wobei ich auch denke, dass es kein Recruiting Trend ist, sondern gesunder Menschenverstand: Den Kandidaten in den Mittelpunkt der Bemühungen zu stellen. Wertschätzung zeigen, im Rahmen des gesamten Prozesses, der gesamten Candidate Journey, der Candidate Experience. Viele Unternehmen scheitern auf der allerletzten Meile, weil sie sich sagen: 'Den Bewerber haben wir im Sack, jetzt warten wir 6 Monate, bis er den Job antritt'. Wenn man sich in der Zeit nicht um ihn kümmert, ist er doch weg. Das ist auch ein Thema, Transparenz und Schnelligkeit: Einen Bewerber nicht lange mit einer Rückmeldung warten lassen. Nicht vielleicht 4-5 Wochen warten, bis andere Bewerbungen reinkommen, sondern bei der erstbesten Bewerbung gleich den Kontakt suchen!"

Über Henner Knabenreich:

Henner Knabenreich beschäftigt sich seit 2003 mit den Karriere-Websites und den Bewerbungs-Prozessen von Arbeitgebern. 2011 hat der selbst ernannte Arbeitgebermarkenauftrittsoptimierer seine Leidenschaft zur Berufung gemacht und die auf digitales Personalmarketing spezialisierte Beratung knabenreich consult gegründet – immer mit dem Ziel vor Augen, Arbeitgeber-Auftritte zu optimieren und Unternehmen die passenden Bewerber zuzuführen. Mit seinem umfangreichen Expertenwissen zu Personalmarketing, Employer Branding, Karriere-Websites und SEO berät er Unternehmen bei der Umsetzung von Karriere-Websites und hält Vorträge zu dem Thema. Knabenreich ist zudem Autor des Buchs "Karriere-Websites mit Wow!-Effekt" und gilt als Experte auf diesem Gebiet. Sein Blog personalmarketing2null ist einer der meistgelesenen und einflussreichsten HR-Blogs in Deutschland.

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